Mittwoch, 2. Februar 2022

Zwischen Lavendel und Schneeglöckchen

 In dieser unbestimmten Woche entschied sich der Mond an jedem untergehenden Tag zwischen Stromleitungen zu balancieren. Durchaus möglich, dass ihm daran gelegen war mit dem Raben, der sich zwei Querstraßen weiter nach einem Platz zum Verweilen umsah, einen Wettlauf auszutragen. Den Raben hätten die sichelförmigen Ambitionen des Mondes nicht weniger kümmern können. Zu sehr darum bemüht, ja geradezu versunken, war er in sein Vorhaben unbedingt zu ruhen. Breite Schwingen glänzenden Gefieders schnitten den Luftstrom unterhalb der Federn in handliche, wenn auch nur für ein sehr geschultes Auge sichtbare, Quadrate. In den Fugen des Kopfsteinpflasters derselben Querstraße krabbelten Ameisen geschäftig dem Ende eines Tagewerks entgegen. Und im dritten Stock eines grün getünchten Hauses, das zwischen den geklinkerten Fassaden benachbarten Zwillingsbauten außerordentlich aus der Reihe tanzte, auf halber Treppe aßen bisher von jeglichen Kammerjägern unentdeckt gebliebenen Mäuse friedlich wie spät zu Abend. Es war eine dieser unbestimmten Wochen, deren Tage Wunder bereit halten und sich auf den unverschmutzen Park- und Wiesenflächen zwischen vorwitzig gewachsenen Grashalmen, Lavendel und Schneeglöckchen taktvoll in einer Herbstbrise wiegen. Der Mond inzwischen besieht sich die kleine Szenerie balancierend aus der Höhe. Welch ein Glück, dass der Rabe nicht hätte um die Wette fliegen wollen.