Donnerstag, 28. April 2016

Was ist...


…Liebe, hast du mich unlängst gefragt.
Wir saßen auf einer Gartenbank.
Das Holz schon ganz morsch,
weil es immerzu, über Jahre im Regen stand,
zuckte unter jeder inneren Regung.

Die Antwort hätte ich zu gerne vertagt,
ins Morgen, die Ewigkeit, zeitlose Zwischenräume.
Unternahm mit halbem Herzen ein Ablenkungsmanöver:
Weißt du noch, früher schüttelten wir bedenkenlos Äpfel aus den Kronen der Bäume.

Aber du, auf der Bank sitzend, gingst über die versuchte Irritation schlicht und hinweg.
Was ist Liebe, wolltest du erneut wissen,
hast mit einem Grinsen die schweigenden Mauern so leichtfertig eingerissen, als hätte das Sitzen auf knarrendem Holz nur den einzigen Zweck, zu ergründen, worauf Menschen seit Gedenken tausend und eine Antwort finden.

Was ist Liebe, hast du mich unlängst gefragt.
Ausgerechnet mich, die in Fragen der herkömmlichen Romantik kläglich versagt, sie schlimmer noch für scheintot erklärt, sich gegen Rosenblätter auf Bettlaken und Candle Light wehrt.
Mir war, als könnte ich keine Antwort, allgemein gültig, geben, auf solche und ähnliche Fragen.

Sah hinauf in den nächtlichen Himmel, an Stromleitungen vorbei, ließ den Blick schweifen, zupfte an Buchstaben und suchte nach Worten, die Verborgenen leben.
Was nur sollte ich dir hier und jetzt sagen?

Anders für jeden, hub ich an, hat sie das eine für uns alle gemein, schwer greifbar, unmöglich beschreibbar, verwechselt der Mensch immer mal wieder das Lieben, das einzig wie wahre – ich muss es so sagen – mit niederen Trieben.

Dein Kopf schüttelte sich, als wolltest du sagen, ich solle nicht auf das Offensichtliche weisen.
Vielmehr meinem Geist doch endlich erlauben, zu reisen.
Mein Fuß stampfte auf, wirbelte Laub durch die glasklare Nacht.

Ein neuer Versuch.

Wir sind es, die sich ein Leben lang winden, stets auf der Jagd – und seien wir auch noch so betagt – erklimmen wir hochjauchzende Höhen, fallen in wolkenverhangene Täler, in dem Versuch sie zu finden.
Die Liebe zu suchen, so viel ist wenigstens dem Herzen, ließen wir es nur einmal unverwandt sprechen, klar, ist so sinnlos wie unklug, ist sie doch immerzu, überall, ganz simpel und da.

Was ich da rede, wolltest du wissen.
Es muss, so hast du gefunden, eine Definition geben, die frei ist vom ewigen Streben, Unsicherheit und dem Ersticken von Tränen in frisch bezogenen Daunenkissen.

Was ist Liebe, hast du mich unlängst gefragt.
Ausgerechnet mich, die sich nicht an Themen von Dichtern zerdacht und Denkern beschreiben, wagt.

Mir fiel nichts weiter ein, als eine Weile zu schweigen.
In die Stille hast du ein einziges Wort gebrochen.
Ein Mythos. Nicht mehr.

Das aber zu glauben fiel selbst mir schwer.
Liebe ist, habe ich dir zur Antwort gegeben, nicht nur das ewige, scheinbar lebensbestimmende Streben, nicht nur das Nichtwissen, nicht nur Tränen, versickert in fleckigen Daunenkissen.

Sie liegt neben uns in der Wiege, in Blicken und auf repeat gehörten Musikstücken.
Sie bedeutet die Welt, ist der Moment, in dem sich dein Leben hinter ein anderes stellt.

Liebe ist Möglichkeit, die wächst mit der Zeit. Ist sich manches Mal streitend versöhnen und sich die gemeinsamen Augenblicke verschönen.
Auf große Gesten kannst du getrost und ruhigen Gewissens verzichten, lass mich lieber von Ideen und Tagwerk berichten.

Liebe ist eine offene Tür, ein Windzug, den ich im Inneren spür.
Ist in den Kleinigkeiten, aus denen unsere Lebenssuppe besteht.
Ist was leise heran kommt und geräuschvoll ihrer Wege geht.
Ist der Schmerz und die Freude, zwei Wände, und doch dasselbe Gebäude.

Sie ist Mut, der an Boden gewinnt, wenn das Ich von oben bis unten von Innen nach Außen zu schwingen beginnt.
Liebe durchdringt die Mauern und Zäune, die wir bemüht bauen um unsere Wünsche, Hoffnungen, Träume.
Weißt du noch, früher schüttelten wir bedenkenlos Äpfel aus den Kronen der Bäume.

Während ich sprach, bildeten deine Gedanken wortreiche Erwiderung, war deine Sachlichkeit allzeit bereit auf dem Sprung.
Ein lauernder Panter, so saßt du da auf der Gartenbank in glasklarer Nacht.
Und fast hätte mich dein fesselnder Blick erneut unsicher zum Schweigen gebracht.

Das Laub legte sich zu unseren ruhigen Füßen.
Ich wusste ganz plötzlich und ohne besonderen Grund, schwiege ich jetzt für den Rest dieser Nacht, ich würde es ein Leben lang bitter büßen.
Die Buchstaben vom Himmel gezupft, wurden zu Worten, machten so leicht Antworten aus meinen, deinen, unseren Fragen.

Sacht legte ich dir einen Finger auf schon geöffnete Lippen, derweil begannen deine Beine ungeduldig zu wippen.
Hör mir noch einen kurzen Wimpernschlag zu:

Was ist Liebe, hast du mich unlängst gefragt.
Liebe ist, was uns täglich passiert, auf verbundener Freundschaft basiert, das Leben und alles und alles kreiert.
Liebe braucht keine Worte, weder Mittel noch Zweck, ist Gehen und Bleiben.
Ich weiß nicht, wie soll ich es dir besser beschreiben?
Liebe ist, was unser Sein von Beginn an bestimmt und in allen Dingen, innen wie außen, unaufhörlich mitschwingt.
Liebe ist Hoffnung, Wünsche und Träume, ist bedenkenlos geschüttelte Apfelbäume.
Und hatte damit alles nur mögliche gesagt.

Was ist Liebe, hast du mich unlängst gefragt.
Wir saßen auf einer Gartenbank.
Das Holz schon ganz morsch,
weil es immerzu, über Jahre im Regen stand,
zuckte unter jeder äußeren Bewegung.
Langsam, stumm hast du genickt.
Und mit dem Fuß ganz ruhig einen Grashalm über das Laub geknickt.